"Eine Kreuzigung ist auch eine psychologische Sache"
Seit 1960 hat Frederick Zugibe mehr als 200 Kreuzigungen durchgeführt. Der 79-jährige US-Wissenschaftler hofft, so die Todesursache Jesu Christi herauszufinden
Financial Times Deutschland / 20. März 2008
Interview: Mauritius Much
FTD: Herr Zugibe, wen haben Sie zuletzt gekreuzigt?
Frederick Zugibe: Einen Freund meines Sohnes. Das ist schon ein paar Monate her. Seither musste ich eine Weile pausieren, weil ich mein Kreuz an eine Ausstellung in Europa verliehen hatte. Jetzt steht es aber wieder in meiner Garage.
Wie sind Sie Kreuziger geworden?
Als Gerichtspathologe habe ich mich mein Leben lang mit rätselhaften Todesfällen beschäftigt. Ich finde es überaus spannend, in meiner Freizeit einen ganz besonderen Fall zu erforschen. Ich will wissen, welche Leiden Jesus Christus über sich ergehen lassen musste und woran er letztlich gestorben ist.
Haben Sie das Rätsel schon gelöst?
Heute denke ich, dass Jesu Christi Tod drei Ursachen hatte: Er erstickte, weil nach den Stunden am Kreuz seine Muskeln so schwach waren, dass er sich nicht mehr zum Atmen hochziehen konnte. Dazu kommen zwei Schocks, die zum Herzstillstand führten. Ein traumatischer Schock, der durch die Schmerzen bei der Geißelung und die Eisennägel bei der Kreuzigung ausgelöst wurde. Und ein hypovolämischer Schock, den er durch den hohen Verlust von Blut und Schweiß erlitt.
Hat Ihre Familie nach 50 Jahren nicht genug von Ihrem Hobby?
Überhaupt nicht. Meinen ältesten Sohn etwa habe ich schon 20-mal gekreuzigt, und er hat sich nie beschwert. Auch die anderen drei Söhne und mehrere Schwiegersöhne hingen schon an meinem Kreuz. Ich habe einen Pool von einem halben Dutzend Personen, die ich regelmäßig kreuzige.
Cicero spricht von der Kreuzigung als der grausamsten Strafe. Ihre Opfer müssen furchtbare Schmerzen haben.
Nein, ich schlage natürlich niemandem Nägel durch Hände und Füße. Die Arme meiner Opfer werden mit speziellen Lederhandschuhen am Querbalken und die Füße mit einem Autogurt am Kreuz befestigt. Ganz ohne Schmerzen geht es aber doch nicht. Besonders die Schultern und die Knie tun schnell weh, weil sie einen Großteil des Körpergewichts tragen.
Was machen Sie, wenn die Opfer am Kreuz hängen?
Tests. Schließlich will ich wissen, wie eine Kreuzigung auf den menschlichen Körper wirkt. Zuerst verkabele ich meine Probanden mit einem EKG-Gerät, damit ich den Herzschlag verfolgen kann. Sobald die Kurve unregelmäßig wird, hole ich sie runter. Von Zeit zu Zeit stülpe ich ihnen einen Plastiksack über, wie man ihn sonst bei Lungenuntersuchungen verwendet. Dann untersuche ich die Luft in dem Sack und schaue, wie viel Sauerstoff noch drin ist.
Und das lassen die Gekreuzigten einfach so mit sich geschehen?
Was bleibt ihnen denn anderes übrig? Außerdem spreche ich die ganze Zeit mit ihnen. Ich frage ständig nach, wie es ihnen geht oder ob sie Schmerzen haben. Wenn mir jemand nicht logisch antwortet, nehme ich ihn sofort ab. Aber oft bilden sich die Gekreuzigten Beschwerden einfach ein.
Wie bitte?
Sie schreien, dass sie nicht mehr atmen können. Dann sage ich: Du solltest aber keine Atembeschwerden haben, das Sauerstoffniveau auf meinem Monitor ist absolut normal. Dann sagen sie: Ach so, dann fühle ich mich gleich besser. So eine Kreuzigung ist auch eine psychologische Sache.
Wie lange hängen Ihre Opfer?
Nie länger als 45 Minuten. Dann werden die Schmerzen in den Schultern zu stark.
Ist das nicht ein bisschen kurz? Jesus soll doch zwischen drei und sechs Stunden gehangen haben.
Für meine Forschungen wäre es besser, wenn meine Probanden auch so lange hängen würden. Aber ich muss auf ihre Gesundheit achten. Es ist nicht möglich, die Kreuzigung exakt so nachzustellen, wie Jesus sie erlitten hat. Dann müsste ich meine Opfer auspeitschen, ihnen eine Dornenkrone aufsetzen, sie das Kreuz schleppen lassen und ans Kreuz nageln.
Haben Sie sich selbst auch schon kreuzigen lassen?
Schon dreimal. Jedes Mal hat mein Sohn mich hingehängt. Ich glaube, er wollte sich auch ein bisschen für seine Kreuzigungen revanchieren.